Heute beginnt der Advent. Mitten in der Dunkelheit tauchen in den Straßen und Wohnungen Lichter auf. Ein Zeichen für einen Neubeginn. Die Lichter im Außen wollen ein Bild sein für das Licht in der Seele. Wenn nach und nach die Kerzen am Adventskranz entzündet werden, will es auch in unserem Innern immer heller werden, Schritt für Schritt.
„Manche sehen ein neues Licht – wir sehen eine neue Vision.“ Diese vollmundige Behauptung steht in einer Anzeige der Automarke Audi, auf die ich in der Zeitung gestoßen. Die Werbung für das neue Modell ist ziemlich gelungen, finde ich, denn sie verbindet den Kauf eines Autos mit etwas viel Größerem. Worauf sich die Anspielung auf das Licht genau bezieht, bleibt allerdings unklar. Geht es um den Hoffnungsschimmer, der am Horizont auftaucht, da jetzt ein Impfstoff gegen Corona gefunden wurde und überall in Deutschland Impfzentren entstehen? Oder geht es um das Aufatmen, dass ein Mann wie Donald Trump bald Geschichte ist, und mit Joe Biden wieder ein menschlicher Präsident ins Amt kommt, der Not und Verlust kennt und zu seinen Schwächen steht? Oder spielt die Firma Audi auf den Advent an, der jetzt beginnt.
All diese Themen schwingen in der Werbung mit, ohne dass sie sich dabei genau auf eine Deutung festlegt. Aber gerade durch diese Vagheit spricht sie die verschiedensten Hoffnungen an. Das einzig Kritische, aber auch das alles Entscheidende, ist, dass die Werbung Falsches verspricht, wenn sie suggeriert, dass die zutiefst menschliche Sehnsucht mit dem Kauf eines Autos in Erfüllung geht.
Aber, wenn wir ehrlich sind, denken und handeln wir oft nicht anders. Die innere Leere, die Unzufriedenheit, die Sorgen – also das, was unseren Geist unruhig macht, wollen wir durch Konsum zur Ruhe bringen. Wir konsumieren Dingen, Erlebnissen, aber auch Gedanken und Gefühle. Wie ein Baby wollen wir gestillt werden mit Nahrung von außen. Sicher, ohne diese materielle Zufuhr stirbt das Kind. Aber ein Baby wird nicht allein still, indem es Milch bekommt. Erst die Nähe der Mutter oder des Vaters schenkt ihm Frieden und Sicherheit. Ohne die Beziehung stirbt ein Kind – wie Friedrich II im 12. Jahrhundert in einem grausamen Experiment festgestellt hat, als er Kindern nur Nahrung, aber keine Liebe zukommen ließ, um herauszufinden, was die Ursprache der Menschen sei.
Advent ist die Zeit, die an unseren inneren Hunger erinnert und unsere Suche nach Rettung ins Wort bringt. Gerade in der Corona Zeit ist „Rettung“ ja ein ganz aktuelles Thema. Der Advent erinnert uns aber auch daran, dass sich Frieden nur durch Vertrauen einstellen wird. Nur die Gewissheit, durch alles Dunkel, durch Krankheiten und Schwächen und den Tod hindurch, getragen zu werden, schenkt wirklichen Trost. Hell wird es in unserem Leben durch die Begegnung mit dem, der allein unsere Seele zur Ruhe bringen kann, wie dies der Psalm 62 formuliert. Dort heißt es weiter: „Nur er ist mein Fels, meine Hilfe, meine Burg, darum werde ich nicht wanken. Gott ist mein Heil, meine Zuflucht.“
Der Prophet Ezechiel vergleicht das Wirken Gottes mit dem Wirken eines Hirten, der sich um seine Schafe kümmert. Wenn der Prophet voraussagt, dass Gott das Verlorenen suchen, das Vertriebenen zurückbringen, das Verletzte verbinden und das Kranke kräftigen wird, klingt das in christlichen Ohren wie eine Weissagung des Kommens Jesu.
Jesus, der Schreiner aus Nazareth, war Gottes so voll, dass die Menschen in ihm die Liebe Gottes erkannten. Sie nannten ihn den Erlöser, den Auserwählten, den Retter, den Gesalbten (Messias/Christos). Äußerlich gesehen war er machtlos und arm; doch aus dieser scheinbaren Schwachheit erwuchs seine Stärke. Er lebte ganz aus dem Geheimnis Gottes heraus. So gelang es ihm, Erstarrtes in Bewegung zu bringen, Leid zu heilen und Menschen zum Leben zu führen.
Über Generationen hinweg wurde diese Hoffnung weitergereicht. Dabei veränderte sich immer wieder das Jesusbild und manche Zeiten der Kirchengeschichte vergaßen, dass es ja genau seine Armut war, aus der heraus er alles wirkte.
Jesus wirkte aber nicht nur in der Vergangenheit, sondern will mich jetzt ansprechen. Der Advent möchte mein Herz berühren. Wenn ich arm werde wie Jesus, nackt vor Gott stehe, ganz in Verbindung mit ihm, dann kann ich den Frieden ahnen, nach dem ich so sehr suche und den ich im Äußerlichen nie finden werde.
Nicht Autos oder andere materielle Dinge schenken Trost. Die Adventszeit lädt ein, den Seelenraum leer zu räumen von allem Unnötigen, was im Weg steht, damit Gott Platz in meinem Leben finden kann. In dieser Haltung können sich neue Wege auftun.