- Das Licht setzt sich immer mehr durch
Langsam aber sicher werden die Tage wieder länger. Jetzt ist es schon am Morgen früher hell und am Abend später dunkel. Was in der Natur geschieht kann zu einem Bild für das werden, was in unserer Seele geschehen will. „Das Licht kam in die Finsternis und hat es erhellt“, schreibt Johannes in seinem Evangelium. Das Fest der Taufe des Herrn, das wir an diesem Sonntag feiern, ist eine weitere Station auf diesem Weg der langsamen Erleuchtung. Es liegt in derselben Linie wie Weihnachten, an dem wir feiern, dass Gott sich in einem Menschen offenbart.
Zuerst hat sich der Messias den Hirten, d.h. den Armen gezeigt. Auch im späteren Leben Jesu sind es die Bedürftigen, also Menschen, die nach etwas suchen und die sich nicht auf einem Status ausruhen, die Jesus als den Gesalbten erkennen. Jesus preist deswegen die Armen, und prophezeit, dass ihnen das Himmelreich gehört. Meine Nöte, meine Krisen, meine Grenzen, meine Angewiesenheit – d.h. meine Armut – ist die Türe zum Himmelreich.
Die nächsten Menschen, die zur Krippe kamen, waren die Gelehrten des Morgenlands. Sie suchten ohne politische oder eigensüchtige Hintergedanken nach dem Weg zur Erlösung, egal aus welcher Kultur sie komme. Und sie fanden sie im Kind. Zu dieser Gruppe gehört wohl auch der Schriftgelehrte Nikodemus, der als Pharisäer ja eigentlich zur Partei der Gegner Jesu gehörte, aber doch so offen war, dass er Jesu Berufung wahrnahm. Diese Haltung kann ich auch leben: aufrichtiges Hinhören auf die Weisheit, die sich vielleicht auch in dem fremden Gewand einer anderen Kultur oder Religion zeigt, öffnet mich für das Wirken des Messias.
Die Taufe Jesu spielt im Milieu der Menschen, die sich um Johannes den Täufer gesammelt haben. Es sind Juden, die ihre Tradition leben, aber doch gedankenlos geworden sind. Der Prophet hat sie mit drastischen Worten aus ihrem Schlaf aufgerüttelt und sie zu einem Neuanfang aufgefordert. Die Menschen am Jordan waren ehrlich bereit, Altes loszulassen und sich Neues zeigen zu lassen. Sie suchten nach Orientierung und Antwort. Diesen offenen Herzens konnte sich der Messias zeigen.
- Verbundenheit
Die Ikone von der Taufe spricht vom tiefsten Geheimnis Jesu und symbolisiert die bedeutsamste Verheißung an uns Menschen.
Jesus lebte ganz aus der Verbindung mit dem göttlichen Urgrund, den er Vater nennt. Aus ihm schöpft er Kraft, aus ihm lebt er. In der Ikone ist dargestellt, wie ein Wasserfluss aus dem Himmel auf Jesus herab fließt, sich in der Gestalt der Taube manifestiert und Jesus – zusammen mit dem Wasser des Jordans – umfließt und umschließt. Er ist umflossen von der Kraft Gottes – könnte man sagen. Sie hüllt ihn ein, umgibt ihn.
An dieser Beziehung will Jesus uns teilhaben lassen. Das Ziel all seines Tuns, Redens und Lebens ist es, dass wir in den Kontakt mit dem Vater zurückkommen und – wie er – Söhne und Töchter Gottes werden. Das Vaterunser erinnert uns in jedem Gottesdienst daran.
Das, was auf der Ikone dargestellt ist, kann ich in einer Wahrnehmungsübung imaginieren. Ich sitze oder stehe und meine Füße haben einen guten Kontakt mit dem Boden. Dann spüre ich zu der Decke über mir, den Himmel, den Bereich Gottes. Über den Abstand hinweg, kann ich einen geistigen Kontakt aufnehmen. Ich stelle mir vor, wie von oben her, die Energie Gottes auf mich herabfließt und durch mich hindurchfließt und mich ganz erfüllen will – so wie auf der Ikone, das Wasser Gottes.
- Der Himmel öffnet sich
Die Bibel erzählt, dass bei der Taufe am Jordan „der Himmel aufriss“ (vgl. Mk 1,10), so wie an einem bewölktem Tag plötzlich die Sonne durch das Wolkendach scheint. Der Himmel und die Wolken sind Symbole für Gottes Geheimnis, das immer da ist, sich aber doch dem menschlichen Zugriff entzieht. Die Wolkensäule führte den Zug der Israeliten durch die Wüste, wie ein Hirt seine Herde. Und als Mose auf den Gottesberg steigt, geht er in die Wolke Gottes hinein und begegnet in dieser verhüllten Gestalt Gottes Kraft. Diese Erfahrung verändert ihn und erfüllt ihn mit dem Wissen um die Ordnungen des Lebens, die er auf den Tafeln der 10 Gebote niederschreibt.
An der Taufe Jesu aber riss der Himmel riss auf. Gott tut sich kund. Eine der dichtesten Momente der Bibel. Und Gott offenbart sich als ein Liebender. Jesus weiß sich gehalten in der Liebe.
Die Stimme Gottes will auch mich heute erreichen: „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter“. Das kann ich mir ganz konkret vorstellen. Für diese Liebe darf ich mich öffnen. Geliebt, angenommen, gesehen, kann ich selbst zu einem liebenden Menschen werden.